Warum reagiere ich in meiner Beziehung so schnell aggressiv - wenn alte Wunden die Kontrolle übernehmen
- MindsetHealingGrow
- vor 5 Tagen
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Einleitung
Kennst du das : Du sagst etwas im Streit, dass du eigentlich gar nicht sagen wolltest. Plötzlich wirst du laut, du schreist, du beschimpfst deinen Partner/deine Partnerin. Du wirst so aggressiv, dass dein Partner schweigt oder beginnt zu weinen. Vielleicht ist dir auch schon die Hand ausgerutscht und während dein Partner sich die Wange hält, starrst du fassungslos auf deine Hand. Das schlechte Gewissen kommt, die Scham kommt und du fragst dich:
" Was stimmt nicht mit mir?"
"Wie konnte das passieren?"
"Warum reagiere ich so krass?"
" Warum tue ich Menschen weh, die ich doch eigentlich liebe?"
Die Wahrheit ist: Du bist nicht "zu aggressiv", nicht " zu emotional" und schon gar nicht kaputt. Während ich diesen Artikel schreibe ist mir bewusst, dass auch Betroffene ihn lesen werden. Daher ist mir wichtig zu betonen: Es geht NIEMALS um Rechtfertigung von Gewalt in einer Partnerschaft. Doch gerade um die Dynamiken zu verstehen, ist es wichtig zu ergründen: Woher kommt die Gewalt? Es ist wie in allen anderen Bereichen auch: Aggressivität hat eine Ursache. Geht man dieser Ursache auf den Grund, kann es dem Menschen helfen. Helfen dabei, nicht mehr Gewalttätig zu sein, Helfen dabei sich Hilfe zu suchen um die eigene Dynamik zu verstehen.
Wenn du zur aggressiven Verhaltensweisen tendierst und dich in den obigen Zeilen wieder erkennst, dann lies unbedingt weiter.
Du trägst etwas in dir, was schon lange vor deinen Beziehungen begonnen hat. Und vielleicht ist genau jetzt der Moment, in dem du verstehst: Deine Reaktion basiert auf alten Schutzmechanismen. Deine Reaktion basiert auf vergangene traumatischen Erfahrungen. Und das wichtigste: Es ist niemals zu spät an sich zu arbeiten!! Du kannst dein Verhalten verändern, du kannst deine Wunden aufarbeiten und du kannst ein neues Verhalten erlernen!
Wenn Nähe alte Wunden aufreißt
In einer liebevollen Beziehung suchst du eigentlich Geborgenheit und Verbundenheit. Umso verwirrender ist es, wenn genau diese Nähe plötzlich alte Wunden aufreißt. Vielleicht merkst du es an dir selbst: Dein Partner oder deine Partnerin kommt dir emotional (oder körperlich) nahe – und ohne bewusste Vorwarnung schnellt in dir eine Abwehr hoch. Du gehst in den Angriffsmodus, als müsstest du dich vor etwas schützen. Diese Reaktion passiert oft automatisch. Es ist, als drücke jemand bei dir einen Knopf, und plötzlich übernimmt eine alte Wut oder Panik das Ruder.
Warum passiert das ausgerechnet in engen Beziehungen? Die Antwort liegt in deinem Unterbewusstsein und deinem Körper vergraben. Intime Nähe kann unbewusst an frühere Erfahrungen anküpfen. Dein Gehirn und dein Nervensystem erinnern sich an vergangene Verletzungen – auch wenn du das rational nicht willst. Alte Ängste wie „Ich werde verletzt“ oder „Ich bin nicht sicher“ flammen auf. Dein Körper schaltet auf Alarm und reagiert mit Kampf oder Flucht. Aggression ist dabei eine typische Kampf-Reaktion, eine Art Trauma-Response (Trauma-Reaktion). Das bedeutet: Deine heftige Wut in dem Moment ist eigentlich eine Antwort auf frühere Gefahren, nicht wirklich auf die aktuelle Situation.
Diese Erkenntnis soll dich keinesfalls entschuldigen, wenn du andere verletzt – aber sie kann dir helfen zu verstehen, dass deine Aggression nicht „einfach so“ aus dem Nichts kommt. Da sind alte Wunden im Spiel, die plötzlich weh tun, wenn du jemandem nahe kommst. Sobald der Stresslevel steigt, übernimmt dein dysreguliertes Nervensystem das Kommando: Dein Herz rast, die Anspannung schnellt hoch, und du explodierst vielleicht, obwohl ein Teil von dir das gar nicht will. Wenn alte Wunden aktiv sind, fühlt sich der aktuelle Konflikt lebensbedrohlich an – und dein System reagiert entsprechend heftig, als ginge es ums Überleben.
Woher kommt das? – Gewalt, Unsicherheit & emotionale Überforderung aus der Kindheit
Solche automatischen Aggressionsmuster fallen nicht vom Himmel. Oft haben sie ihren Ursprung in frühester Kindheit. Gewalt, Unsicherheit oder emotionale Überforderung in der Kindheit können tiefe Spuren hinterlassen, die bis ins Erwachsenenleben reichen. Vielleicht erkennst du dich in einem der folgenden Szenarien wieder:
Aufwachsen in Gewalt oder Chaos: Wenn du als Kind körperliche oder seelische Gewalt erfahren hast – oder auch nur Zeuge von Gewalt wurdest – dann hat dein junges Ich gelernt, dass die Welt unsicher und gefährlich ist. Dein Nervensystem war ständig in Alarmbereitschaft. Konflikte bedeuteten Gefahr. Dieses innere Alarmsystem nimmst du unbewusst mit. Selbst heute, Jahre später, kann ein harmloser Streit mit deinem Partner in dir das gleiche Gefühl von Bedrohung auslösen wie damals. Die Folge? Du wehrst dich mit allen Mitteln, weil dein Körper glaubt, er muss sich schützen. Aggression war vielleicht einmal deine Überlebensstrategie – und in Stressmomenten greifst du reflexhaft wieder darauf zurück.
Keine sichere Bindung: Kinder brauchen stabile Bindung und Verlässlichkeit. Wenn deine Eltern emotional nicht verfügbar waren, dich verlassen haben oder du ständig Angst hattest, ihr Liebe zu verlieren, entwickelt sich ein unsicheres Bindungsmuster. Das bedeutet: Du hast nie richtig gelernt, vorbehaltlos zu vertrauen. Tief in dir sitzt die Angst vor Verletzung oder Verlassenwerden. Stell dir das innere Kind in dir vor, das damals verzweifelt nach Sicherheit gesucht hat. Dieses Kind meldet sich in deiner Partnerschaft, sobald du dich bedroht fühlst. Es kann sein, dass du dann – noch bevor dich jemand verletzen könnte – selbst zum *„Angriff“ übergehst. Nach dem Motto: „Bevor du mich verlässt oder wehtust, stoße ich dich lieber weg.“ Deine Aggression ist in Wahrheit ein Schutzschild für die enorme Verletzlichkeit in dir.
Emotionale Überforderung: Vielleicht waren deine Bezugspersonen selbst überfordert, launisch oder unberechenbar. Ein Kind, das mit ständigem Stress oder den Gefühlen der Eltern alleingelassen wird, kann seine eigenen Emotionen nicht gut regulieren lernen. Wut, Angst und Kummer wurden damals vielleicht heruntergeschluckt, weil kein Raum dafür war. Diese unterdrückten Gefühle verschwinden aber nicht – sie stauen sich innerlich an. Man spricht hier von einem “Gefühlsstau“. Im Erwachsenenalter genügen dann kleine Auslöser, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Die aktuelle Situation ist vielleicht nur der berühmte Tropfen, der die ganze angestaute Wut und Ohnmacht aus der Vergangenheit hervorbrechen lässt. Das Ergebnis wirkt nach außen „unverhältnismäßig“, ist aber erklärbar, wenn man die volle Gefühlsladung dahinter kennt.
All diese Erfahrungen prägen dein Nervensystem und dein Bindungsmuster. Vereinfacht gesagt: Dein Körper hat gelernt, auf bestimmte Reize mit Kampf (Aggression), Flucht (Rückzug) oder Erstarren zu reagieren, selbst wenn es heute eigentlich nicht mehr nötig ist. Diese Prägung kann zu einer dysregulierten Selbstregulation führen – ein komplizierter Begriff, der heißt, dass deine innere Gefühls-Regelung aus dem Gleichgewicht geraten ist. Du hast dann große Schwierigkeiten, starke Emotionen zu steuern. Sie überschwemmen dich regelrecht. Kein Wunder, dass es da manchmal zu Wortgewittern oder Wutausbrüchen kommt, die du im Nachhinein bereust. Dein System kann in diesen Momenten gar nicht anders – es greift auf altbewährte (aber heute ungesunde) Schutzmechanismen zurück.
Wichtig: Diese Hintergründe zu kennen, soll dir helfen, dich selbst besser zu verstehen. Es geht nicht darum, anderen die Schuld zuzuschieben („Meine Eltern sind an allem schuld“). Sondern darum, mit Mitgefühl auf dein eigenes Erleben zu schauen. Damals in der Kindheit hattest du keine Kontrolle und musstest irgendwie überleben – vielleicht, indem du Wut angesammelt oder Aggression als Schutz entwickelt hast. Heute jedoch bist du erwachsen und hast die Möglichkeit, neue Wege zu lernen. Der erste Schritt dafür ist zu verstehen, woher deine Reaktionen kommen.
Erste Schritte zur Veränderung
Du bist deinen Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert – es gibt Wege, aus diesem Teufelskreis auszusteigen. Die alten Wunden dürfen heilen, und du kannst neue Verhaltensmuster aufbauen. Hier ein paar erste Schritte, die dir dabei helfen können:
Selbstbeobachtung ohne Urteil: Beginne damit, deine Wutanfälle oder aggressiven Impulse bewusst wahrzunehmen, ohne dich sofort zu verurteilen. Beobachte, in welchen Situationen du so heftig reagierst. Ist es bei bestimmten Themen, Worten oder Gesten deines Partner*in? Vielleicht spürst du sogar körperliche Anzeichen, bevor die Wut hochkocht (z.B. Herzklopfen, Hitze, Zittern). Diese Achtsamkeit für dich selbst ist wichtig, um Muster zu erkennen. Und denk dran: Dich selbst verurteilen verstärkt die Scham nur – versuche, dich mit etwas Milde zu betrachten. Du bist auf dem Weg, dich zu verändern, und das verdient Anerkennung.
Pausen einlegen und atmen: Klingt banal, ist aber enorm hilfreich: Wenn du merkst, dass die Aggression in dir aufsteigt, schaffe bewusst eine Unterbrechung. Zum Beispiel: Nimm ein paar tiefe Atemzüge oder geh kurz aus der Situation raus (etwa in ein anderes Zimmer, auf den Balkon). Sag deinem Partner ruhig, dass du gerade eine kurze Pause brauchst. Durch das tiefe Atmen sendest du deinem Nervensystem das Signal: Ich bin in Sicherheit, beruhige dich. Eine kurze Auszeit kann verhindern, dass der automatische Impuls dich komplett überrollt. Mit etwas Abstand gelingt es leichter, wieder den erwachsenen Verstand einzuschalten, statt vom verletzten inneren Kind gesteuert zu werden.
Reflexion: Was steckt wirklich hinter meiner Wut? Im Nachhinein – wenn du dich beruhigt hast – nimm dir Zeit zur Selbstreflexion. Frage dich: Was habe ich in dem Moment der Wut tief drinnen gefühlt? War ich vielleicht in Wahrheit verletzt, ängstlich, überfordert oder hilflos? Welche alte Situation erinnert mich das (bewusst oder unbewusst)? Indem du diese Fragen ehrlich für dich beantwortest, lernst du die Sprache deiner Trigger. Du erkennst, dass hinter der Aggression oft Schmerz oder Angst steckt. Diese Erkenntnis ist wichtig, um beim nächsten Mal eventuell früher gegenzusteuern oder deinem Partner zumindest erklären zu können, was in dir vorging.
Sprich offen mit deinerm Partnerin: Auch wenn es schwerfällt – sprich mit deinem Gegenüber über deine Schwierigkeiten, wenn ihr beide ruhig seid. Du musst keine bis ins Detail fertige Erklärung haben. Es reicht zu sagen: „Manchmal reagiere ich total über, und ich glaube, da spielen alte Ängste mit. Ich arbeite daran, aber sei bitte geduldig mit mir.“ Offenheit schafft Verständnis. Dein Partner kann besser einordnen, was mit dir passiert, und muss deine Ausbrüche nicht persönlich nehmen. Gemeinsam könnt ihr Strategien überlegen: z.B. ein vorher vereinbartes Zeichen, wenn du eine Pause brauchst, oder bestimmte Konfliktthemen langsamer und behutsamer anzugehen.
Hole dir professionelle Unterstützung: Du musst diesen Weg nicht alleine gehen. Es ist keine Schwäche, Hilfe anzunehmen – im Gegenteil, es zeugt von Stärke und dem Wunsch, an dir zu arbeiten. Eine therapeutische Unterstützung (etwa durch Trauma-Therapie, somatische Therapie oder Paarberatung) kann unglaublich wertvoll sein. Eine Therapeutin kann dir helfen, die Wurzeln deiner Wut zu bearbeiten und neue Bewältigungsstrategien zu erlernen. In der Therapie hast du einen sicheren Raum, um über deine Scham, deine Ängste und deine Erlebnisse zu sprechen. Dort kannst du auch lernen, dein Nervensystem zu regulieren – Schritt für Schritt, mit Übungen und Methoden, die zu dir passen. Scheue dich nicht, diesen Schritt zu gehen, wenn du merkst, dass du alleine immer wieder an die gleichen Punkte kommst. Du verdienst Unterstützung auf deinem Heilungsweg.
Geduld und Selbstmitgefühl: Veränderungen brauchen Zeit. Jahrzehntealte Wunden heilen nicht über Nacht. Sei geduldig mit dir selbst. Jeder kleine Fortschritt – sei es ein Ausbruch weniger, ein rechtzeitig eingelegter „Boxenstopp“ zum Durchatmen, oder ein aufrichtiges Entschuldigung an deinen Partner – ist ein Sieg. Feiere diese Schritte ruhig! Und wenn doch mal ein Rückfall passiert, verzeih dir und mach weiter. Selbstmitgefühl ist der Schlüssel, um aus der Scham-Spirale auszusteigen. Du bist kein Monster, du bist ein Mensch mit Verletzungen, der daran arbeitet, zu heilen.
Du darfst heilen – Angebot für Unterstützung
Abschließend möchte ich dir Mut machen: Du darfst heilen. Die Vergangenheit muss nicht für immer deine Gegenwart diktieren. Ja, die alten Wunden tun weh und haben dich geprägt – aber du darfst und kannst sie nachträglich versorgen. Es ist möglich, in Beziehungen wieder Frieden und Vertrauen zu finden, auch wenn du es vielleicht kaum glaubst. Gib dir die Erlaubnis, Hilfe anzunehmen und neue Erfahrungen zu machen.
Du bist nicht allein mit diesem Problem, und es gibt Wege heraus. Trau dich, den nächsten Schritt zu gehen. Das kann bedeuten, mit einer vertrauten Person darüber zu sprechen, professionelle Hilfe zu suchen oder dich in Literatur und Selbsthilfeübungen einzulesen. Du musst diesen Weg nicht alleine bewältigen. Es gibt Therapeutinnen, Beraterinnen und Gruppen, die verstehen, wovon du sprichst, und die dich begleiten möchten.
Stell dir vor, wie es wäre, wenn alte Wunden nicht mehr dein Handeln bestimmen: Du könntest auf deinen Partner zugehen, ohne dass gleich die Alarmglocken schrillen. Du dürftest Nähe zulassen und dich geborgen fühlen. Dieses Ziel ist nicht utopisch – es ist erreichbar, Schritt für Schritt.
Du bist es wert, ein liebevolles und erfülltes Beziehungsleben zu führen, frei von unkontrollierter Aggression. Du darfst heilen. Fang genau jetzt damit an, dir selbst die Hand zu reichen. Und wenn du auf diesem Weg Unterstützung brauchst – hab den Mut, sie dir zu holen. Es ist der erste Schritt in ein neues, befreiteres Leben. Du bist nicht allein, und Veränderung ist möglich. Gehe diesen Weg in deinem Tempo, aber geh ihn mit Hoffnung: Deine Wunden dürfen heilen, und du darfst in deinen Beziehungen die Kontrolle zurückgewinnen.
Gerne begleite ich dich bei deinem Weg - gemeinsam können wir deine Traumatas aufarbeiten, loslassen und einen neuen Weg in eine gewaltfreie Zukunft gestalten.
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